vom eh. Hauptgefreiten Jochen Lipps
Hallo!
Nachdem ihr in dieser Ausgabe wohl auch einen Zivi-Erfahrungsartikel von Andreas Etzrod lesen k�nnt, habt ihr hier nun zum Vergleich einen Bericht �ber meine Bunderfahrungen...
Los ging alles im Sp�tsommer 1995. Abitur war fast schon 3 Monate her, diverse Musterungen, Eignungs- und Verwendungspr�fungen hinter sich gebracht, da flatterte eines Tages der Einberufungsbefehl auf den Tisch:
"Melden sie sich am 4 Oktober beim 4./FArtBtl 295..."
Ein bischen mulmig war mir schon dabei, als ich dann am 4 Oktober mit einer Sporttasche, best�ckt mit dem N�tigsten, in den Zug stieg und in Richtung meines Standortes fuhr. Im Zug dann gleich den Jens Kretzer getroffen, was in diesem Fall hie�: er sa� in einem, ich in dem Abteil nebenan. In seinem Gesicht stand auch ein gewisses Unbehagen geschrieben, so da� wir kein Wort wechselten. Das kam erst sp�ter, als wir beim Ausdauertraining eine Pause zum Dehnen und zur Gymnastik einlegten, ins Gespr�ch kamen und, zur gegenseitigen Freude, herrausfanden, da� der andere AUCH einen Amiga besa�... Aber das nur nebenbei erw�hnt...
So kam ich also irgendwann gegen 10 Uhr bei meiner Batterie an, als einer der ersten und konnte deswegen noch w�hlen: zum einen ein Nichtraucherzimmer und zum anderen meinen Schlafplatz.
Viel war nicht los am ersten Tag, war doch Hauptaufgabe der Vorgesetzten die neuen Rekruten erst einmal auf die Zimmer zu verteilen und da die letzten erst um 14 kamen...
So sa� ich also in meiner Stube - wohlgemerkt eine 8-Mann Stube, da wir das Gl�ck hatten noch in einem alten Geb�ude zu wohnen, da das "neue" erst noch am Renovieren war - und nach und nach trudelten auch schon die anderen 7 ein.
War der Tag noch locker, so ging es abends los: erste milit�rische Verhaltensregeln wurden vermittelt, raustreten ge�bt etc. Das alles sah nat�rlich noch absolut l�cherlich aus, kein Wunder wenn ~ 50 noch zivil angezogene, teilweise mit noch langen Haaren versuchen soldatische Ordnung zu zelebrieren.
Das �nderte sich aber schon in den n�chsten Tagen, als die Langhaarigen zum Friseur (in diesem Fall ein Unteroffizier mit Bartschneider ;) und wir alle zur Standortverwaltung (StOV) mu�ten und eingekleidet wurden. Habt ihr schon mal ca. 50 Kilo, verteilt auf Seesack, Tragetasche und Rucksack einen Kilometer geschleppt?
Egal.
Immerhin hatten wir die neuen Flecktarnuniformen. Und es war Wochenende und wir durften alle Heim.
Montags fing dann die Grundausbildung an. Ich wei� nicht wieso alle dar�ber so schlecht redeten, aber ich empfand dies mit als sch�nste Zeit: man war fast den ganzen Tag im Gel�nde, �bte die verschiedenen Gangarten im Gel�nde (beliebt war die tiefste Gangart, das sogenannte Gleiten ;) die Kameradschaft war die beste die sich in den 10 Monaten Wehrdienst entwickelt hat.
So gingen die Wochen ins Land und irgendwann stand das erste schie�en mit dem G3 auf dem Programm: war man zu Beginn noch Ehrf�rchtig vor dieser Waffe (immerhin gute 800 m/s M�ndungsgeschwindigkeit, hinter einem Baum "verstecken" ist da auch nicht, denn der Schu� geht durch) so war es nach 2 Jahren nur noch Routine, wenn es auch im Umgang mit Waffen nie Routine geben darf. Gemeint war die Ehrfurcht vor der Waffe an sich, nicht die Behandlung derselben.
So pl�tscherte die Grundi vor sich hin (es ausf�hrlich zu beschreiben w�rde den Rahmen definitiv brechen), mit dem Wetter hatten wir Gl�ck - also nie fiel Regen wenn wir mal gezeltet haben (Biwakiert im Bund-Jargon) und es ging auf den H�hepunkt der Grundi zu:
5 Tage Biwak in Stetten am kalten Markt. Schnell merkten wir, da� der Umgangsname "Stetten am kalten Arsch" passender war, und schnell war Stetten auch als badisch Sibirien bekannt.
War bis zum Sonntag vor dem Abmarsch (auch wenn man mit LKWs oder Bussen fuhr hies es Marsch) noch relativ sch�nes Wetter (gegen Ende November) so begann es an diesem Sonntag zu schneien.
Als wir Montag dann gegen Mittags ankamen durften wir erstmal den Schnee von unserem "Camping-Platz" wegschaufeln. Aber da schien noch die Sonne und es hatte angenehme Plusgrade.
Aber mit der Sonne ging auch die W�rme...
Schnell kletterte das Termometer auf - 20 Grad und als es auf - 25 Grad zuging war man kurz davor das Biwak abzubrechen... Aber nur kurz.
Um euch ein besseres Bild zu vermitteln wie kalt es war:
Von "meinem" Zelt war die Fr�hst�cksausgabe nicht einmal 100 Meter entfernt. Dort gab es wie jeden Morgen hei�en Kaffe oder hei�en Kakau.
Mein Kakau war, als ich an meinem Zelt ankam nur noch lauwarm. Die restlichen Tropfen, die in meinem Essensgeschirr noch �brig waren, gefroren dann binnen Sekunden, man konnte richtig zusehen.
Aber man mu� sagen: bei den Temperaturen waren nicht nur alle gleich, nein, auch der Ausspruch "alle sitzen in einem Boot" bekam eine neue Bedeutung, denn egal ob Kanonier ("unser" Dienstgrad damals) oder Hauptfeldwebel: alle waren drau�en, alle haben gefroren, jeder war f�r den anderen da.
Einer f�r alle, alle f�r einen in Perfektion, sozusagen.
Trotz der Temperaturen das sch�nste Biwak meiner Zeit als Soldat.
H�hepunkt war am Abend (besser: Nacht) vor der Abreise die Melderbahn, auch Geisterbahn genannt. In kleinen dreiergruppen mu�ten wir einen Parcour abgehen, in dem gewisse Gemeinheiten eingebaut waren, Hindernisse, ein Geisterhaus etc. Ziel war es: m�glichst unbemerkt von den an den Stationen eingesetzten Unteroffizieren durchzukommen, was angesichts der Stolperfallen die an Lichterbatterien oder Windspielen (wie in Twister) angeschlossen waren ziemlich schwierig war.
Jedenfalls gingen die 5 Tage schneller vorbei als man sich das davor gedacht h�tte und es war Freitag und eine ziemlich ersch�pfte 4 Batterie ging ins wohlverdiente Wochenende.
Dann gab es noch die Rekrutenpr�fung, in denen wir nochmal zeigen mu�ten, da� wir das notwendigste zum �berleben auf dem Gefechtsfeld gelernt hatten und zum Abschlu� einen n�chtlichen Orientierungsmarsch von ca. 25 km, was jedoch mehr werden konnte, je nachdem ob man sich verlaufen hat oder nicht...
Mit dem feierlichen Gel�bnis kurz vor Weihnachten war dann auch die Grundi schon vorbei und wir gingen ersteinmal in Urlaub.
Im Januar war dann Spezialgrundausbildung angesagt, also Ausbildung an der Feldhaubitze 155. Wir waren ja Artilleristen. Wer wissen will, was man da so macht, der kann ja mal die Br�cke von Arnheim anschauen, die Szene wo die Amis mit den Gesch�tzen die Landschaft umpfl�gen, um die Offensive vorzubereiten. Die SGA ging dann bis M�rz.
M�rz war dann auch der Monat, indem der erste 30 km Marsch anstand, taktisch gut vor das erste Scharfschie�en gelegt, soda� einige erstmal wegen "Fu�krankheit" vom Scharfschie�en abseilten. Abseilen erkl�rt sich ja von selber, was das bedeutet. Zum Marsch selber bleibt nur soviel zu sagen: die 10 kg Gep�ck sp�rt man gegen Ende nicht mehr. Nur noch die F��e.
Jedenfalls brachte der Monat M�rz das erste Scharfschie�en mit der Haubitze, mal wieder in Stetten. Und wer dachte, es konnte nicht k�lter als 25 Grad Minus werden, der sah sich get�uscht. Zwar hatten unsere LKWs Standheizungen, aber in der k�ltesten Nacht fielen sie aus, zumindest auf meinem LKW. Als um 6 Uhr das Licht anging war die Plastikplane �ber uns Steifgefroren von dem Atem, der darauf kondensiert und gefroren war. Fast 30 Grad Minus hatte es in der Nacht gehabt.
So schnell waren wir nie wieder aus den Schlafs�cken (die �brigens Angenehm bis -5, ausreichend bis -10 Grad waren...) drau�en, im Kampfanzug drin und drau�en in der Natur, uns aufw�rmen.
Das Bild zeigt den Tag NACH der k�ltesten Nacht...
Das Schie�en selbst war fantastisch, dagegen sind die gro�en Silversterb�ller leise Knallerbsen.
Der Rest vom Jahr (also bis Ende Juli, da war die Wehrdienstzeit zu Ende) brachte weitere Trocken�bungen wie auch noch diverse andere Scharfschie�en, darunter eine 3 Wochen �bung die sich �ber Frankreich (mit Rhein�berquerung mittels franz�sischer Pioniere und ihrer Ausr�stung auf dem Hinmarsch) bis hin zur Pfalz erstreckte. Bei dieser �bung gab es auch den �belsten Tag meiner ganzen Bundzeit: es regnete von morgens bis abends, und wir hatten Stellung in Knietiefem Gras bezogen.
Noch nie war ich so na�.
Jedenfalls habe ich mich zu dieser Zeit dann auch f�r zwei Jahre verpflichtet.
Als aber der Tag X kam, und die "normalen" Wehrpflichtigen
nach Hause "durften" war es dann doch sehr traurig, da doch
Freundschaften geschlossen wurden, die an diesem Tag
endeten, einfach weil die Leute aus ganz Deutschland
zusammen gekommen waren und nun wieder zur�ck gingen... f�r
immer.
Die Woche vor diesem Tag stand unter dem Zeichen der
Entla�ung der Wehrpflichtigen, ihrer Auskleidung usw. Es ist
schon ein merkw�rdiges Gef�hl wenn diejenigen, mit denen man
angefangen hat, auf einmal wieder in Zivil herumlaufen, mit
der Gewi�heit da� sie bald f�r immer gehen w�rden...
Aber viele hatten ebenfalls verl�ngert, soda� der Abschiedsschmerz in Grenzen gehalten wurde.
Danach war erst einmal Jahresurlaub angesagt und danach kamen auch schon wieder neue Rekruten.
Doch diesmal war ich einer der "alten"... :)
Zu dieser Zeit habe ich dann auch meine "Umschulung" im Bereich der Batterie gemacht und wurde zum Feuerleitsoldat und Funker des Zugf�hrers ausgebildet. Parallel war ich - dank Computerkenntnisse - auch im Batterietrupp eingesetzt und machte an einem Laptop die ganzen Befehle und Dienstpl�ne. Nicht ganz so aufregend wie die �bungen die noch kamen.
Doch wie wir auch, durften auch dieser neue Jahrgang nach Stetten, und zwar diesmal schon im Januar. Was haben wir "Alten" den Neuen nicht f�r Schauergeschichten erz�hlt, �ber Minusgrade etc. Uns selbst war es mittlerweile schon egal, da man mit der Zeit auch die "Tricks" lernt und Erfahrung sammelt, da� es einem nicht ganz so kalt wird...
Jedenfalls fuhren wir im Januar nach Stetten und... strahlend Sonnenschein.
Ehrlich, keiner von den alten, auch nicht die Dienstgrade die schon einige Jahre dabei waren, haben im Januar je so ein Wetter erlebt. Es war so warm, da� wir Tags�ber mit kurzen �rmeln herumgelaufen sind... Und nachts wurde es gerade mal um den Gefrierpunkt kalt.
Keiner von den neuen hat uns geglaubt, da� wir in Stetten mal -30 Grad erlebt haben...
Absoluter H�hepunkt war f�r mich dann noch im Juli eine 3-Tage Durchschlage�bung in Pfullendorf. Hin und zur�ck wurden wir mit einem Hubschrauber geflogen. In Pfullendorf dann das Lager aufgeschlagen - wie immer Biwak, irgendwo im Gr�nen - und einen Tag noch mal alles ge�bt, also Bewegen im Gel�nde, Karte und Kompa�, Orientierung bei Nacht etc. Am n�chsten Tag ging es dann los: "wir" wurden mit allem Gep�ck (~30 Kilo) "ausgesetzt" und mu�ten uns zur�ck zum Lager durchschlagen und nebenbei diverse Einlagen absolvieren...
... wie Abseilen (wegen starkem Regen und dadurch
hervorgerufener Gl�tte der Felsen jedoch abgessagt;
irgendwie schade, weil das Trocken�ben im Standort (von
einem 25 M Kamin) herrlich war...)
... oder Flu��berqueren auf einen wackeligen Stahlseil.
... und noch einige Einlagen mehr.
Marschstrecke war an die 60 km.
Zur "Belohnung" gab es am Tag der R�ckkehr ins Lager aber ein gro�es Grillfest.
Interessant war dann auch noch die Ausbildung von SFOR Truppen im August f�r Bosnien, als ich als IPTF-Mann (International Police Task Force) eingesetzt war und in meiner Rolle schlichtend zwischen unseren "Bosnienfahrern" und "serbischen" Polizisten, die einen illegalen Checkpoint betrieben eingreifen mu�te. Um die Zeit habe ich dann auch meinen Nachfolge im Zugtrupp ausgebildet, der seinen Dienst hoffentlich genauso Pflichtbewu�t wie ich ausf�hrt.
(Wobei mir gerade einf�llt, da� ich meine Einheit mal wieder besuchen mu�...)
Doch dann kam auch schon der September 1997 und meine 2 Jahre waren vorbei. Ehrlich, noch nie war ich so niedergeschlagen, als ich das letzte mal die Kaserne verlies...
Wie ihr schon lesen k�nnt waren es zwei wunderbare Jahre, die ich nicht missen m�chte und die ich auch im Nachhinein - mit dem Wissen �ber gewisse kalte �bungen ;) - wieder machen w�rde.
Niemals mehr werdet ihr eine solche Kameradschaft erleben, solche Solidarit�t miteinander.
Die Spr�che: "Beim Bund lernst du das saufen" kann ich nicht best�tigen. Sicher, es gab das ein oder andere Sauffest, aber ich war vorm Bund Nichttrinker, blieb es w�hrend dem Bund und bin es immer noch. Kein einziges mal wurde ich gezwungen "doch mitzusaufen", oder schm�lerte es mein "Ansehen" mein Nein zum Alkohol. Es wurde sogar bei Festen immer gefragt, was ich denn so trinken m�chte und dementsprechend auch Cola o.�. besorgt.
Und Stichwort Rechtsradikalismus: auch wenn es gewisse politische Parteien nicht einsehen wollen: es sind alles nur Einzelf�lle! Wenn bei 340.000 Soldaten in einem Jahr 200 auff�llig werden: wieviel Promille sind das?
In den 2 Jahren habe ich 3 Jahrg�nge an Rekruten miterlebt und darunter war ein einzigster, der ab und zu mit rechten Spr�chen auffiel. Der war noch dazu Berufsalkoholiker und hatte anscheinend einen IQ von 0.
Nat�rlich kann man noch viel mehr schreiben, aber Aufgaben wie Wache schieben, Streife laufen oder Telefonposten erkl�ren sich ja von selbst und die NC ist ja auch noch f�r andere da...
euer eh. Hauptgefreiter Jochen Lipps
Wer noch speziellere Fragen zum Bund hat, kann sie nat�rlich gerne an mich richten. 2 Jahre Erfahrung warten darauf mitgeteilt zu werden.